Sinn und Zweck der Muster
Ich habe das Gefühl, dass wir gerade in einer neuen Situation gelandet sind: Nachdem wir den Begriff "Muster" erst wie nebenbei verwendet haben, eröffnet sich uns gerade ein fast vollkommen neues Theoriefeld, das gründlich bearbeitet werden muss, um hier nicht in eine Sackgasse zu laufen. Ich würde daher gerne hier über Muster abseits der Technik reden und was wir am Ende des Tages damit wollen, wenn wir es wollen.
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Meine erste Frage wäre: Gibt es für uns eine Alternative zur (klassischen) Mustertheorie?
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Die zweite Frage: Wenn wir uns auf die Mustertheorie festlegen, was kann dann unser Beitrag sein bzw. wie unterstützend kann das Programm hier wirken?
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Dritte Frage: Wie exakt müssen wir in der Konzeption ein einzelnes Muster bzw. qualitativ verschiedene Musterarten definieren? Was wird von selbst entstehen?
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Vierte Frage: Was ist notwendig, um einen Gesamtprozess zu einer bestimmten Bedürfnisbefriedigung zu unterstützen?
Ich würde die Fragen von meiner Seite gleich beantworten und die Antworten zur Diskussion stellen:
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Ich sehe keine Alternative für uns zu Mustertheorie, aber wäre da natürlich offen.
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Wir können keine Mustersprache erdenken, wie das ein Christopher Alexander und andere gemacht haben. Selbst wenn wir dafür begabt wären, ist die Gesamtheit der Herstellung und Erhaltung der menschlichen Lebensbedingungen noch einmal wesentlich komplexer als es etwa die Architektur ist, welche Alexander behandelt. Eine geschlossene Mustersprache zur gesellschaftlichen Re/Produktion wird wohl nicht aus 250 Mustern, sondern einigen tausend bestehen. Vielleicht täusche ich mich da, - aber ich glaube nicht. Eine solche Mustersprache muss von den Menschen geschaffen werden, welche sich im Feld des Commonings bewegen und hier (versuchen) ihre Lebensbedingungen herzustellen. Unser Beitrag ist es, das notwendige Werkzeug herzustellen, das hierfür so einfach/intuitiv zu verwenden ist, wie nur möglich.
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Ich denke, wir müssen ein ganz präzise und technisch ausformulierte Mustervorlage entwickeln, welches die Bewegungsrichtung des Commonings unterstützt. Ich glaube nicht, dass wir verschiedene Mustervorlagen entwickeln müssen. Die Bewegungsrichtung ist Bedürfnisbefriedigung, welche im Gegensatz zur kapitalistischen Produktion nicht vor und nach der Tätigkeit stattfindet, sondern ein inhärenter Teil davon ist. Was müsste über diese eine Mustervorlage also möglich sein?
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Als Anwender des Programmes bekomme ich also ein Muster vorgeschlagen, das für meinen Kontext passend erscheint. Aber in der Anwendung merke ich, dass durch eine Abänderung entweder meine Bedürfnisse oder die Bedürfnisse derjenigen, für die ich tätig bin, besser befriedigt werden. Eine neue Musterversion entsteht, welche für diesen Kontext bestimmend wird, wenn die meisten anderen sich ebenfalls darauf beziehen.
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Genauso müssen zwei an sich getrennte Muster zusammenfallen können, wenn sie in der Praxis besser als ein einzelnes Muster funktionieren, d.h. es häufig Situationen gibt, bei welchen sie sowieso nacheinander/nebeneinander angewendet werden. Ursache dafür kann sein, dass sie immer zu ähnlichen Bedürfnisbefriedigungen abgerufen werden und es (trotz ihrer möglichen inhaltlichen Verschiedenheit) die beiden "sinnvollsten" Muster für den Gesamtprozess sind. Auf diese Weise können sich aus einer Gesamtkapazität von zigtausenden einzelnen Mustern "wenige" hunderte/tausende Muster herauskristalisieren, durch welche Bedürfnisse (sowohl die sinnlich-vitale, als auch die produktive Dimension) am effizientestens befriedigt werden.
Das Ziel ist eine Gesellschaft, welche ihre Lebensbedingungen genau den Bedürfnissen ihrer einzelnen Teilnehmer nach herstellt und erhält und daher sich auch in jede Richtung dynamisch bewegen kann. Ich denke, dass das damit möglich werden kann. Auch die Umstellung auf modulare/leicht reparierbare Produktionsmittel etwa, wird meiner Einschätzung nach von selbst passieren, indem Menschen versuchen die vorgegebenen Prozesse (dargestellt als Muster) zu ihrem eigenen Vorteil möglichst effizient zu gestalten.
- Als roten Faden für einen Gesamtprozess zu einer Bedürfnisbefriedigung, sobald sie die Bedarfsebene "betritt", sehe ich nur die gegenständlichen Mittel. Auf Bedarfsebene "wölben" sich symbolische und soziale Mittel um die gegenständliche Produktion bzw. Organisation, welche Bedürfnisbefriedigung erst möglich machen. Gesamtprozesse, welche das Programm durch die Muster hindurch analysieren und vorschlagen kann, müssen die Verfügbarkeit der gegenständlichen Mittel prüfen und (durch Muster) Möglichkeiten vorschlagen, nicht-verfügbare Mittel herzustellen/zu organisieren.
Wie kann sich so ein einzelner Gesamtprozess herausstellen? Ein solcher Gesamtprozess hat Bedarfsebenen, wovon die übergeordneten jeweils von der Produktion der untergeordneten abhängig sind. Die Untergeordneten sind allerdings abhängig davon, dass Übergeordnete existieren, ihre eigene Produktion also nicht "ins nichts läuft", sondern tatsächlich weiterverarbeitet werden muss. Was wäre der Idealfall? Es gibt eine vollständige Mustersprache, welche von der ersten bis zur letzten Ebene sämtliche Prozesse abdeckt. Ein Gesamtprozess wird durch das Programm ermittelt und für jedes Muster, welches zur Bedürfnisbefriedigung notwendig ist, gibt es einen kontinuierlichen Commoning-Prozess. Die Gruppe im kontinuierlicher CP der obersten Ebene "sagt zu", dass sie sich dem Bedürfnis annehmen würden, womit die Anfrage an die untergeordnete Ebene weitergeleitet wird. In dieser Ebene gibt es wieder Gruppen, welche sich passenden kontinuierlichen CPs zugeordnet haben und diese "sagen zu", dass sie den Bedarf decken, wenn sie die notwendigen Mittel bekommen usw.usf. Der Gesamtprozess ist also erst von einer Reihe zusagen abhängig, bis die letzte Produktion beginnt. Bei einer guten Infrastruktur aus kontinuierlichen CPs könnte das innerhalb sehr kurzer Zeit geschehen.
Eine Konsequenz für die Anwender wäre (Einzelpersonen und Gruppe), dass sie eine Menge Anfragen bekommen, die möglicherweise ins nichts laufen. Spannende Frage, die sich daraus ergibt: Vielleicht ergibt es Sinn, dass sich Personen Mustern zuordnen und sie angefragt werden, wenn das Muster abgerufen wird. Es wäre sehr viel präziser, als eine Abfrage nach Fähigkeiten.
So viel erst einmal dazu. Ich werde mich jetzt tiefer in die Mustertheorie einarbeiten (Christopher Alexander als Autor ist übrigens auch höchst spannend) und hoffe manches dann noch präzisieren zu können. Ich wäre auf jeden Fall gespannt auf Rückmeldungen von dir, aber fände es auch okay, wenn du (bei manchen Sachen) einfach mal warten willst, bis ich da etwas Schlüssiges (vielleicht wieder als Vorwissens-FAQ) ausgearbeitet habe. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Diskussion um die Mustervorlage sowohl hier auf Theorieebene und auf praktischer Ebene parallel in #28 (closed) und #29 (closed) stattfindet.