Vorwissen (FAQ)
Worum geht es? Ein Programm soll näher konzipiert werden, welches Kooperation außerhalb der Geld-vermittelten Sphäre unterstützen kann. Speziell geht es hierbei um die transpersonale Ebene, d.h. um die Beziehung von Einzelpersonen zur Allgemeinheit (transpersonal), statt um die Beziehung von Personen direkt zueinander (interpersonal). Auf der einen Seite müssen also jeweils eigene Bedürfnisse in das Programm eingespeist werden können. Auf der anderen Seite brauchen Personen die Möglichkeit diese auszulesen, um sich den jeweils eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten nach in Prozesse zur Bedürfnisbefriedigung zuordnen zu können. Zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung sind Mittel notwendig.(1)
Von welcher Art von Mitteln ist hier die Rede und was hat die Plattform damit zu tun? Wenn es hier um „Mittel“ geht, sind sowohl gegenständliche, soziale und symbolische Mittel gemeint. Gegenständliches Mittel ist dabei alles, das sich anfassen lässt, wie Produktionsmittel (Rohstoffe, Maschinen, etc.), Grund und Boden, Wohnraum, Spielzeug, usw. Symbolische Mittel sind alle Formen von Wissens- und Kulturinhalten, die prinzipiell beliebig vervielfältigt werden können, wie der Inhalt von Büchern und Internetseiten oder Anleitungen für die Herstellung bestimmter Produktionsmittel und Medikamente. Soziale Mittel schließlich sind sämtliche Formen, die Menschen zur vorsorgenden Herstellung ihrer Lebensbedingungen schaffen – Plenum, Räte, Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, usw. Weiter wird hier zwischen privaten Eigentum und gesellschaftlichen Eigentum, welches unter kollektiver Verfügung von potentiell jede/r Gesellschaftsteilnehmer/in verwendet werden kann, unterschieden. Privates Eigentum unterliegt dabei den Nutzungsbedingungen der Eigentümerin und wechselt diese innerhalb einer Marktwirtschaft vorrangig über den Geld-vermittelten Tausch. Indem sie sich gegen Geld tauschen, sind sie „Mittel von Wert“. Bei gesellschaftliches Eigentum unter kollektiver Verfügung gibt es keine Person, welche Verfügungsgewalt über einzelne Mittel hat, wodurch sie durch niemanden getauscht werden können und somit auch keinen Wert im marktwirtschaftlichen Sinn haben.
Wenn gesellschaftliche Mittel keinen einzelnen Personen bzw. Gruppen unterstehen, wie werden sie dann organisiert? Der „Wert“, welchen sie unter kollektiver Verfügung nicht mehr haben, hat den Mitteln eine klare Richtung gegeben, für welche sie verwendet wurden: Die der „Verwertung“, der Bewegung von einer bestimmten Menge Geld zu einer Größeren. Durch die zu entwickelnde Plattform sollen gesellschaftliche Mittel jetzt als „Mittel zur Bedürfnisbefriedigung“ bewusst gesetzt werden und damit ebenfalls eine klare, allerdings die Anwender/innen aus sowohl persönlichen wie auch sachlichen Zwängen befreiende, Richtung erhalten. Ein weiteres Ziel dieser Entwicklung ist es daher überhaupt auch eine Möglichkeit herauszustellen, wie Mittel außerhalb des privaten Eigentums überhaupt auf Augenhöhe organisiert werden können.
Was ist die juristische Grundlage und wie kommen die Mittel in die kollektive Verfügung? Beides wichtige Punkte, die hier allerdings nicht diskutiert werden.
Was sind die Bedingungen für die Organisation von Mitteln unter kollektiver Verfügung? Bei Mitteln unter kollektiver Verfügung muss die jeweilig Verfügbarkeit und der jeweilige Zweck ihrer Verwendung eindeutig ersichtlich sein. In diesem Sinne muss eine solche zu entwickelnde Plattform zentral sein, nicht aber in einem technischen Sinn. Technisch können Instanzen unabhängig voneinander bestehen, so lange die Commoning-Prozesse und Verwendung/Verfügbarkeit der Mittel allgemein einsichtig bleiben. Gäbe es etwa zwei voneinander unabhängige Instanzen, über welche die Verwendung desselben Mittels geregelt wird, ist im Konfliktfall eine Diskussion auf Grundlage einer transparenten Struktur nicht möglich. Wären dagegen die Mittel selbst auf zwei oder mehr Instanzen verteilt, wäre es lediglich eine partielle kollektive Verfügung und die Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaftsteilnehmer, und damit auch die effiziente Verwendung der Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, wären eingeschränkt.
Was wird hier unter Bedürfnissen verstanden? Zurückgreifend auf die Kritische Psychologie wird hier zwischen der sinnlich-vitalen und produktiven Bedürfnisdimension unterschieden. Vereinfacht gesagt also, zwischen dem was ich als einzelne Person brauche/möchte (sinnlich-vitale Bedürfnisdimension) und dem, wie ich mich in die gesellschaftlichen Kooperationsprozess hineinbegeben will, um diese Bedürfnisse dauerhaft abgesichert zu wissen (produktive Bedürfnisdimension). Diese Trennung ermöglicht erst gesellschaftliche Kooperation ohne direktes Gegenleistungsprinzip (Geld/Lohn) zu denken und hieraus auf Möglichkeiten zu schließen, wie Tätigkeiten, die nicht direkt an eine eigene sinnlich-vitale Bedürfnisbefriedigung gekoppelt sind, trotzdem individuell sinnvoll werden können.(2)
Dient der Kapitalismus nicht auch der Bedürfnisbefriedigung? Die innere Logik des Kapitalismus ist die Geldvermehrung und die Befriedigung von Bedürfnissen ist ein Nebeneffekt zu diesem Zweck. Will etwa jemand, der von Lohnzahlungen abhängig ist um sein Leben zu bestreiten, seine Bedürfnisse befriedigen, muss er seine Arbeitskraft in eine kapitalistische Produktion hinein verkaufen und dort strukturell mehr für die Gesellschaft produzieren als er von der Gesellschaft (in Form anderer Produkte/Dienstleistung/etc.) zurückbekommt – sprich, er leistet Mehrarbeit, welche sich in einem Mehrprodukt vergegenständlicht und im Verkaufsfall zum Mehrwert wird. Der Abschlag dieses Mehrwertes aus der Arbeit der Produzierenden ist die Möglichkeit, wie sich Geld in der kapitalistischen Produktion überhaupt vermehren kann und die kapitalistische Gesellschaftsstruktur wird danach organisiert, wenn auch nicht bewusst, sondern hinter dem Rücken der Gesellschaftsteilnehmer. Zum Zweck der Verwertung wird immer neue Arbeit („Arbeitsplätze“) geschaffen, um diesen Mehrwert aus der Tätigkeit der Lohnarbeitenden abschöpfen zu können. In seiner Konsequenz bedeutet das eine niemals endende Arbeit für die Lohnabhängigen (die ihre Arbeitskraft immer wieder neu verkaufen müssen, da der Lohn tendenziell nur für die Selbsterhaltung im Produktionszeitraum reicht) und einen verselbstständigten Produktionsprozess, der seiner eigenen Logik nach niemals enden kann und die Grenzen der Natur notwendigerweise überschreiten muss.(3)
Wie werden die Begriffe Commons/Commoning hier verwendet? Sowohl Privateigentum als auch gesellschaftliche Mittel werden in dem Moment zu Commons, in welchem sie auf freiwilliger Basis und selbstorganisiert verwendet werden, um damit Bedürfnisse direkt zu befriedigen bzw. den Bedarf zu decken, welcher zu einer direkten Bedürfnisbefriedigung notwendig ist – was wiederum der Prozess des Commonings ist. Weitergehend ist ein Commoner niemand, der/die ein bestimmtes Weltbild vertritt, sondern eine Person innerhalb eines bestimmten Commoning-Prozesses. Kurz: Wird Commoning betrieben, werden Mittel zu Commons und Personen zu Commonern.
Und Commoning soll entsprechend vollständig über das Programm geregelt werden? Kern des Commonings ist und bleibt der direkte, zwischenmenschliche (interpersonale) Prozess. Das Programm soll lediglich die Organisation solcher Prozesse auf gesamtgesellschaftlicher Ebene unterstützen. Über diese transpersonale Vermittlung können dabei dauerhafte interpersonale Strukturen entstehen, durch welche die Verwendung des Programms für einzelne Personen bzw. zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse nicht weiter sinnvoll ist. Inwieweit sich aber interpersonales und transpersonales Commoning in der Verwendung von Mitteln unter kollektiver Verfügung schneiden bzw. inwieweit dieser Schnittpunkt über Kommunikation entschärft werden kann, ist noch offen.